Expertin des Monats
Jan. 2009
ao.Uni.Prof. DI Dr. Sabine Baumgartner

Ass. Prof.in DIin Dr.in Sabine Baumgartner leitet das Christian Doppler Pilotlabor für die Analytik allergener Lebensmittelkontaminanten.

Milch, Ei, Erdnuss und Nüsse im allgemeinen wurden im Rahmen des Projektes als Pilotlebensmittel ausgewählt, um entsprechende Allergene zu isolieren, zu charakterisieren und Antikörper herzustellen. Die Arbeitsgruppe der Biochemikerin besteht zu 90 Prozent aus Frauen, deren Arbeiten als Dissertantinnen bzw. Technikerinnen die gebürtige Niederösterreicherin betreut.

Baumgartner studierte Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur (BOKU). Seit ihrem Wechsel ans Institut für Agrarbiotechnologie Tulln (IFA-Tulln) liegt ihr Arbeitsgebiet im Bereich der Proteinanalytik, mit Schwerpunkt in der Immunologie und der Lebensmittelanalytik. Zur Allergenspezialistin hat sich Baumgartner im Rahmen mehrerer EU-Projekte entwickelt, die sie als Assistentin am Institut für Agrarbiotechnologie Tulln (IFA-Tulln) betreute. Bei ihrer Arbeit und während des Studiums habe sie nie das Gefühl gehabt, dass Frauen benachteiligt sind. In ihrer ersten Mathematikvorlesung seien rund 50 Prozent der Studenten weiblich gewesen. Allerdings verringere sich der Anteil der Frauen, je weiter man in der akademischen Hierarchie nach oben schaue. 

Interview

Wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, Lebensmittel- und Biotechnologie zu studieren?

Eigentlich war es Zufall. Ich ging zwar in ein naturwissenschaftliches Gymnasium, aber dort machte ich sehr viel Sport. Ich war recht gut in Sprachen und weniger an Naturwissenschaften interessiert. Ich dachte daran, Dolmetscherin zu werden, bis mir bewusst wurde, dass man fast keine Chance hat, wenn man nicht eine zweite Sprache so gut wie die Muttersprache spricht. So habe ich erst spät überlegt, was ich machen könnte. Über die Boku bin ich gestolpert, weil ein älterer Schulkollege bereits dort studierte und mir die Uni zeigte. Sie hat mir recht gut gefallen. Lebensmittel- und Biotechnologie hat mich am meisten angesprochen.

Welchen Einfluss haben Ihre Eltern ausgeübt?

Mein Vater hätte gerne gehabt, dass ich Sprachen studiere. Er dachte, dass man damit viel in der Welt herumkommt. Er wollte selber gern reisen, aber das ging aus finanziellen Gründen nicht. Er war wahrscheinlich ein bisschen enttäuscht, dass ich etwas anderes machte. Aber beide Eltern haben mich beim Studieren sehr unterstützt, auch finanziell.

Warum sind Sie Wissenschafterin geworden?

Auch das habe ich nicht richtig geplant. Ich machte meine Diplomarbeit am Institut für Chemie. Als ich fertig war, gab es dort ein Forschungsprojekt des FWF, in dessen Rahmen ich meine Dissertation machen konnte. Das bedeutete eine Anstellung und Geld. Hätte es das nicht gegeben, so hätte ich keine Dissertation machen können und mir eine andere Arbeit gesucht.

Während Ihrer Diplomarbeit wussten Sie noch nicht, dass Sie in die Wissenschaft gehen würden?

Nein. Bei der Diplomarbeit setzt man sich erstmals mit einem Thema wirklich auseinander. Ich habe mich mit der Identifizierung von Kohlehydraten im Knoblauch beschäftigt. Das war spannend, aber mir war nicht klar, dass ich in die Wissenschaft gehen würde. Das Forschungsprojekt war vom Thema her interessant, und ich konnte mit denselben Methoden und Analysen auf den Apparaturen, auf denen ich schon vorher gearbeitet hatte, für die Dissertation weiterarbeiten. Ich war sehr gerne im Labor, und ich habe sehr gerne an diesen Dingen herumgeschraubt. Wenn man einen HPLC - einen Hochleistungsflüssigkeitschromatografen - oder einen Gaschromatographen aufmachen und daran herumschrauben kann, ist das interessant. Ich habe gerne irgendwo herumgezangelt. Wenn ich nicht studiert hätte, wäre ich vielleicht Mechanikerin geworden.

Sind Sie eine, die ihre Fahrräder selbst reparierte?

Natürlich. Ich habe mein Fahrradl immer selbst repariert. Sonst hätte ich zu Fuß gehen müssen.

Wie ging es nach Ihrer Dissertation weiter?

Während der Zeit der Dissertation hat mein Dissertationsvater, Professor Praznik, das Analytikzentrum in Tulln geplant und aufgebaut. So wurde auch ich in den Aufbau involviert. Wir haben gemeinsam überlegt, welche Geräte man anschaffen sollte, was man brauchen könnte, und ich war dabei, als wir hier in Tulln die Geräte angeschlossen haben. Für das neue Analytikzentrum waren mehrere Assistentenstellen vorgesehen, und mein damaliger Chef fragte mich, ob ich daran Interesse hätte.

Welche Forschungsarbeiten haben Sie nach Ihrer Dissertation gemacht?

Nach meiner Dissertation habe ich einen Schwenk von der Kohlenhydratanalytik zur Proteinanalytik gemacht. Wobei ich durchaus auch andere Gebiete der Lebensmittelanalytik bearbeitet habe - ein bisschen Fettsäureanalytik aus Leindotter hier oder Trockensubstanz-, Protein- und Fettgehaltbestimmungen in Hafer dort. Als Hauptgebiet hat sich aber die Immunoanalytik herauskristallisiert. Ich habe ein EU-Projekt im fünften Rahmenprogramm zur Entwicklung von Allergentests koordiniert. Dabei geht es um schnelle, leicht handhabbare, immunochemische Tests zur Detektion von Lebensmittelproteinen mit allergenem Potential. Ein weiteres Vorhaben war der Aufbau eines Zellkulturlabors zur Herstellung von monoklonalen Antikörpern, die zur Entwicklung der oben genannten Tests verwendet werden können.

Sie leiten derzeit das Christian Doppler Pilotlabor für die Analytik allergener Lebensmittelkontaminanten. Wie ist es dazu gekommen?

Am Analytikzentrum gibt es bereits das Christian Doppler Labor für Mykotoxinforschung, das von meinem Chef, Professor Rudolf Krska, geleitet wird. Als unser EU-Projekt zur Entwicklung von Schnelltests für Lebensmittelallergene für Erdnuss und Haselnuss dem Ende zuging, überlegten wir, wie wir weiterarbeiten könnten. Man ist ja immer auf der Suche nach Drittmitteln, da die Dotationen der Universitäten begrenzt sind. So hatten wir die Idee, gemeinsam mit dem Unternehmen Romer Labs ein Christian Doppler Labor zu starten. Romer Labs beschäftigt sich mit der Testentwicklung für die Futtermittelindustrie und ist in unmittelbarer Nähe angesiedelt: im Technologiezentrum, das gegenüber von IFA liegt. Romer Labs ist bereits im Christian Doppler Labor für Mykotoxinforschung involviert und sehr  daran interessiert, die Palette seiner Tests zu erweitern.

Welche Forschung ist dafür nötig?

Die zu detektierenden Proteine sind im Annex IIIa der EU-Kennzeichnungsdirektive festgelegt. Man muss neben guten Proteinextrakten gute Antikörper entwickeln, um die entsprechenden Testsysteme entwickeln zu können. Über einige erst kürzlich entdeckte allergieauslösende Substanzen, wie etwa Lupinen, weiß man noch fast gar nichts. Im Gegensatz dazu ist die Erdnuss schon gründlich analysiert.

Was soll am Ende herauskommen?

Fertige Schnelltests für Lebensmittelallergene. Also Streiferltests, die einfach handzuhaben sind und sich gut verkaufen lassen.

Kann dann ein Allergiker mit so einem Streiferltest herausfinden, ob sein Essen im Restaurant Erdnussspuren enthält?

Das ist ein heikles Thema. Dazu müsste der Test so robust sein, dass man den Salat am Salatbuffet testen kann, ob er nicht Spuren der danebenstehenden Nüsse enthält. Das wäre eine schöne Sache, aber davon sind wir weit entfernt. Zuerst einmal streben wir Tests für Lebensmittelhersteller an, die sie im eigenen Unternehmen selbst durchführen können. So wie die Hersteller mikrobiologische Kontrollen am Fließband durchführen, sollen sie auch Allergennachweise machen können. Für Mykotoxine gibt es bereits Schnelltests. Die werden auch als Anlieferungskontrolle verwendet. Wenn ein Lkw mit einer Getreidefuhr kommt, wird eine Stichprobe genommen und getestet, ob sie Mykotoxine enthält.

Allergen-Schnelltests gibt es noch nicht?

Es gibt einige wenige Tests. Beispielsweise gibt es für das Weizenprotein Gluten, das bei Allergikern Zöliakie auslöst, Schnelltests. Auch für Erdnuss und Haselnuss existieren schon solche Testformate.

Das wäre also ein tolles Geschäft?

Ja, weil es noch nicht so viele Schnelltests gibt. Wobei ,,toll" relativ ist.

Warum entwickeln immer mehr Menschen Allergien?

Ich bin keine Medizinerin, aber man hört einiges an Theorien. Eine Theorie ist, dass unser hygienischer Lebensstil unser Immunsystem unterfordert. Viele Kinder haben gar keine Möglichkeit mehr, einen Stein in den Mund zu nehmen und ihn abzulutschen - weil es sofort heißt: ,,Nimm den dreckigen Stein aus dem Mund!" Da das Immunsystem auf solche Herausforderungen nicht mehr reagieren kann, sucht es sich andere. Eine zweite Theorie ist, dass die Geräte immer empfindlicher werden und Krankheiten entdecken, die man früher einfach nicht sah.

Jedenfalls ist das ein umfassendes Arbeitsgebiet. Da können Sie bis an Ihr Lebensende forschen.

Ja. Und durch den modernen Lebensstil kommen ständig neue Allergien dazu. Zuletzt sind Mollusken und Lupinen in die Liste der Allergene aufgenommen worden. Ich kenne Lupinen als Blumen aus dem Garten meiner Oma. ,,Greif diese Blumen nicht an", hieß es immer. Und wenn doch, musste man sich sofort die Hände waschen. Lupinen waren giftig. Die Samen der Blütenstände sind jedoch stark proteinhältig. Mittlerweile hat man Lupinen so gekreuzt, dass ihre Giftigkeit weggefallen ist. Lupinen werden nun in der Lebensmittelindustrie als Ersatz für Eiproteine oder Sojaproteine verwendet. In der Bäckerei wird Lupinenmehl als Zusatz verwendet, weil es so schön emulgiert. Daraufhin haben Leute, die eigentlich Erdnussallergiker sind, plötzlich auf Gebäck und Kekse allergisch reagiert. Weil Lupinen mit der Erdnuss verwandt sind. Seit Ende 2005 gehören Lupinen nun zu den 14 allergenen Substanzen, für die eine EU-Direktive eine genaue Kennzeichnung vorschreibt.

Nehmen mit der modernen Lebensmittelerzeugung die Allergien zu?

Möglich. Kiwi hat es früher bei uns nicht gegeben. Jetzt gibt es die Kiwi und die Allergie dazu. Und man kocht zu Hause weniger, kauft stattdessen ein fertiges Produkt und schiebt es in die Mikrowelle, ohne auf den genauen Inhalt zu achten. Aufgrund von darin enthaltenen Substanzen wird es möglicherweise zu mehr Allergien kommen.

Wie groß ist Ihre Arbeitsgruppe?

Im Augenblick arbeite ich mit zwei Dissertantinnen und zwei Technikerinnen im Zellkulturlabor. Ich bin natürlich für das Berichtswesen und die Finanzen zuständig. Was eigentlich traurig ist: Ich bin zur Schreibtischtäterin geworden. Obwohl ich so gerne im Labor arbeite. Ich habe viel zu wenig Zeit, um selber ins Labor zu gehen, mich vor ein Gerät zu stellen und an etwas zu forschen. Das geht mir ab.

Das ist meistens so, wenn man aufsteigt. Auffallend ist, dass in Ihrer Arbeitsgruppe nur Frauen sind. Glauben Sie, dass es für eine Studentin angenehmer ist, mit einer Frau zu arbeiten als mit einem männlichen Professor? Fühlen sie sich so mehr ermutigt?

Das weiß ich nicht. Darüber habe ich mit meinen Dissertantinnen noch nie gesprochen. Ich bekam jedenfalls nur Bewerbungen von Frauen, als ich die Dissertationsstellen ausschrieb. So, als ob das eine Thematik wäre, die nur Frauen anspricht. Bei den Einstellungsgesprächen war immer der Geschäftsführer von Romer Labs dabei. Wir haben jedenfalls nicht vermittelt, dass das Projekt weiblich dominiert ist.

Wie entspannen Sie sich?

Ich lege mich auf die Couch und höre Musik. Ich mache auch gerne Krafttraining. Im Sommer gehen mein Mann und ich Motorradfahren. Das ist eine Leidenschaft geworden. Manchmal im Sommer, wenn es mir gelingt, sehr früh aufzustehen, fahre ich mit dem Rad nach Greifenstein und höre den Vögeln zu. Dort sind so viele Tiere zu hören und zu sehen - aber nur frühmorgens.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Margarete Endl.