Expertin des Monats
März 2012
Dr.in M.Sc. Mag.a Arch.in Barbara Imhof

Im März ist die Wahl auf Barbara Imhof gefallen.

Die ausgebildete Architektin Imhof hat an mehreren Universitäten im In- und Ausland studiert: Bartlett School of Architecture (London), Southern California Institute of Architecture (Los Angeles), Technische Universität Wien. Ein Schritt in Richtung Weltraum erfolgte durch ihren Master of Space Studies an der International Space University in Strasbourg. Mit ihrer Dissertation zum Thema ,,An Architectural Approach To Designing A Long Duration Human Space Mission to Mars" 2006 an der Technischen Universität Wien setzte sie ihre virtuelle Reise durchs Weltall fort. Imhof ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin von LIQUIFER Systems Group Wien, einer internationalen Forschungsplattform im Bereich der Entwicklung von Designs für Weltraummissionen.

Interview

Frau Imhof, wie kam es dazu, dass Sie sich als ausgebildete Architektin den ,,Weltraum" als Ihr Aufgabengebiet wählten?

Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen, einerseits befinden wir uns ja schon auf einem Planeten, der sich auf einer kontinuierlichen Bahn in unserem Sonnensystem bewegt und sind somit schon Teil des Weltraums. Mit dem Spaceshuttle zum Beispiel ist man in 10 Minuten im Weltall! Es ist also gar nicht so ,,weit weg" wie man denkt.

Auf der anderen Seite hat es mich immer interessiert, wie wir in der Zukunft leben werden oder leben wollen und wie sich diese Entwicklungen auf die Umwelt auswirken. Welche Anforderungen werden zukünftig an  Design und Architektur gestellt, um einen entsprechenden Lebensstandard zu erreichen. Um es in den Worten von Buckminster Fuller zu sagen: ,,"Habitation", das ist das englische Wort für Bewohnen und kommt vom Begriff ,habit - das Wort für Gewohnheit. Das bedeutet, wie wir gewöhnt sind zu leben oder wie wir leben wollen, so muss auch die gebaute Umwelt aussehen." Gerade diese Zukunftsgedanken haben mich immer sehr fasziniert: wie sieht unser Leben in fünfzig Jahren aus?

Während meiner Studienzeit an der Universität für Angewandte Kunst Wien bei Wolf D. Prix (Coop Himmelblau) stand immer der Gedanke wie die Zukunft aussehen wird im Vordergrund all unserer Arbeiten und Überlegungen. Nach meinem Studium bin ich zur österreichischen Gesellschaft für Weltraumfragen gekommen und von dort weiter zum Masterstudium Space Studies an der International Space University in Strasbourg. Dort ergab sich dann die Möglichkeit für die NASA zu arbeiten. So bin ich von Station zu Station tiefer und tiefer in die Weltraumforschung bzw. in den Bereich Weltraumarchitektur und Space Design eingedrungen.

Wie kann man sich die ,,Weltraumszene" vorstellen? Ist es einfach als Frau Fuß zu fassen?

Prinzipiell kann man schon sagen, dass der Bereich Weltraumforschung ein noch immer sehr konservativ und männerdominiert ist. Ich sehe aber immer mehr, dass die jungen Generationen verstärkt in unserem Bereich Fuß fassen und damit auch viele junge engagierte Frauen nachkommen und sich das Geschlechterverhältnis langsam verändert. Es gibt immer mehr Frauen - Ingenieurinnen -  die an großen internationalen Satellitenprojekten maßgebliche Rollen einnehmen.

Das Thema Space Design ist ein sehr schönes Arbeitsgebiet, es bedarf aber sehr viel Eigeninitative, um erfolgreich in diesem Bereich arbeiten zu können. Auch im Rahmen unserer jetzigen Tätigkeit mit Liquifer Systems Group steht meistens das Aquirieren von Projekten und das Finden geeigneter Partner im Vordergrund. Das ist nicht immer einfach.

Hatten Sie das Gefühl, dass Sie benachteiligt waren am Anfang oder es manchmal schwerer haben sich durchzusetzen?

Das ist schwierig zu beantworten. Persönlich hatte ich nicht das Gefühl es als Frau schwerer zu haben. Ich komme ja aus der Architektur und das ist auch nicht unbedingt ein Arbeitsumfeld, in dem es viele Frauen gibt, vor allem wenig Frauen in Führungspositionen und wenig international bekannte Architektinnen. Auf Anhieb fallen mir nur zwei wirklich bekannte Namen ein: Zaha Hadid und Kazuyo Sejima. Wobei bei diesen Damen die jeweilige Biografie und das Spannungsverhältnis der Kulturen aus denen sie kommen im Vordergrund steht. Kazuyo Sejima kommt aus Japan, wo der Beruf der Architektin eine völlig andere Rolle spielt als hier und auch in der Gesellschaft einen ganz anderen Stellenwert hat. Zaha Hadid kommt aus einem sehr wohlhabenden Umfeld und hat einige kulturelle Regeln außer Kraft gesetzt. Darüber hinaus fällt sie natürlich auch durch ihre einzigartige Persönlichkeit auf.

Aber um zurück zum Weltraumbereich zu kommen, möchte ich sagen, dass wir uns in einem sehr internationalen Kontext bewegen und es weniger wichtig ist, welches Geschlecht man hat als mehr aus welcher Kultur man kommt und welche Ideale oder Ansichten man mitbringt. Die Weltraumszene in Österreich ist natürlich klein, man kennt alle Beteiligten und arbeitet eng zusammen.

Sie haben an der ,,International Space University" in Strasbourg studiert. Was können Sie uns von dieser Zeit dort erzählen? Wie hoch war der Frauenanteil unter den Studierenden und gab es zu Ihrer Ausbildungszeit weibliche role models für Sie?

Genderfragen waren während der  Ausbildungszeit kaum ein Thema. Wir waren 35 Personen aus 30 verschiedenen Ländern, darunter auch Frauen aus Indien, Japan, Europa und Nordamerika. Aufgrund der hohen Internationalität und der oft sehr unterschiedlichen Kulturkreise, die aufeinander trafen, lagen die Herausforderung mehr im Bereich des Alltagslebens - im täglichen Umgang miteinander. Das ist gut zu vergleichen mit dem Leben auf unserer Raumstation - dort treffen auch unterschiedlichste Nationen aufeinander und es steht weniger die Frage im Vordergrund ob man Mann oder Frau ist, als wie man mit kulturellen Differenzen umgeht.

Sie haben für Ihren Ausbildungsweg sehr unterschiedliche Stationen gewählt (TU-Wien, Bartlett School of Architecture London, Southern California Institute of Architecture L.A., Universität für Angewandte Kunst Wien, International Space University Strasbourg). Wie hat das ihren beruflichen Werdegang beeinflusst?

Ich denke, meine wichtigste Erfahrung im Zuge all meiner Stationen war es unterschiedliche Länder und Kulturen kennenzulernen. Ich hab ja auch immer in diesen Städten und Ländern gelebt und dort viele Freundschaften geschlossen, was privat aber auch beruflich wichtig war. Das waren oft sehr unterschiedliche Stationen und gerade das hat mir immer Spaß gemacht. Ich bin neugierig und es ist spannend mich in andere Situationen zu begeben, mich darauf einzulassen und zu schauen was dort passiert.

Neugierig zu sein und sich zu trauen, das zu machen was man will, aber auch zu lernen Situationen und Gegebenheiten anzunehmen wie sie sind, ist etwas, das mich bereichert und, wie ich denke, auch stark geprägt hat. Durch einen Ortswechsel erfährt man so etwas wie einen Perspektivenwechsel und das verändert den Blick auf sich selbt, ähnlich wie wenn man die Erde verlässt und sie von aussen betrachten kann.

Sie sind Mitbegründerin und Geschäftsführerin der LIQUIFER System Group in Wien. Wofür steht die LIQUIFER System Group? Was ist Ihre Aufgabe oder Ziel und wer sind Ihre Partner?

Die Liquifer System Group wurde als eine Art Plattform gegründet, um unterschiedlichen ExpertInnen, die gemeinsam an Weltraumprojekten arbeiten, einen Platz zum Austausch zu bieten. Zu Beginn stand hauptsächlich die Erforschung von Mond und Mars im Vordergrund unserer Arbeit. Mittlerweile befassen wir uns auch mit dem Bereich Leben und Arbeiten in der Zukunft auf der Erde. Dabei geht es unter anderem um Fragen wie, welche Technologien können wir aus der Weltraumforschung mitnehmen und für das Leben hier adaptieren?  

Im Weltraumbereich spielt der Begriff der Effizienz eine wichtige Rolle bei vielen Entwicklungsarbeiten: Ressourceneffizienz, Energieeffizienz und die effiziente Nutzung stark begrenzten Raums. Dieselben Faktoren sind auch auf der Erde ein großes Thema, vor allem im Zuge künftiger Stadtentwicklung. Ein Hauptthema mit dem wir uns momentan im Rahmen der räumlichen Effizienz beschäftigen sind transformierbare Elemente. Diese können als Raumabgrenzung, aber auch als Möbelstücke mit unterschiedlichen Funktionen genutzt werden.

Heißt das, dass Sie auf der einen Seite Technologien und Designelemente entwickeln, die außerhalb der Erde genutzt werden und auf der anderen Seite diese Entwicklungen widerum adaptieren, um sie für die Erde nutzbar zu machen?

Ja, das stimmt im Wesentlichen. Bei unserer Arbeit steht meist die ,,Übersetzung" der Technologien und Entwicklungen im Vordergrund. ,,Übersetzung" bedeutet hier die Adaption von Elementen aus der Weltraumforschung für die Erde. Wir arbeiten dabei eng mit verschiedenen ExpertInnen aus verschiedenen Fachbereichen zusammen wie bspw. einem Arbeitsmediziner.

Im Zuge des raschen Wachstums auf der Erde und der laufenden Veränderungen verändern sich auch unsere Bedürfnisse und Ansprüche an örtliche Gegebenheiten. Dabei steht vor allem der Arbeitsplatz im Mittelpunkt einiger unserer Projekte. 
Wie muss der moderne Arbeitsplatz aussehen unter Berücksichtigung des beschränkten Platzangebotes und der menschlichen Bedürfnisse wie Ergonomie und Privatsphäre und welche Anforderungen werden dabei an die benötigten Möbel und Benutzeroberflächen gestellt?

Gerade auf Raumstationen ist es wichtig, Rückzugsbereiche trotz beschränktem Platzangebot zu schaffen. Aus dieser Notwendigkeit heraus entstanden die faltbaren Elemente, die wir entwickelt haben. Bei der Entwicklung wurden verschiedene Faltmechanismen aus der Natur untersucht und daraus Anwendungsmöglichkeiten, -varianten für den Weltraum entwickelt. So entstanden faltbare Rückzugsräume für Raumstationen. Im Weltraum treten Extreme deutlicher zu Tage und werden deshalb intensiver erforscht und analysiert. Über diese Erkenntnisse kann man dann Rückschlüsse auf die Bedürfnisse auf der Erde ziehen.

Bevor Sie Mitbegründerin und Geschäftsführerin der LIQUIFER System Group wurden, waren Sie lange Zeit Assistentin am Institut für Hochbau an der TU-Wien - bestehen für Frauen an der TU besondere Herausforderungen oder auch Chancen?

Ich war am Institut von Helmut Richter der auf der TU speziell im Bereich Architektur eine ganz besondere Rolle gespielt hat und sehr viel verändert hat. 
Allerdings muss ich sagen, dass zu meiner Studienzeit die Anzahl an Professorinnen auf der TU erwartungsgemäß eher niedrig war. Wünschenswert wäre es, dass sich das ändert und dass es in Zukunft wesentlich mehr Professorinnen gibt. Aber das gilt nicht nur für die Universitäten, generell kann man sagen, wäre es schön, wenn der Prozentsatz an Frauen in Führungsebenen größer wäre.

Aus Ihren Erfahrungen heraus - was würden Sie jungen Frauen raten, um sich in einem technischen/naturwissenschaftlichen und meist doch sehr männerdominierten Feld zu behaupten?

Mehr Selbstvertrauen und Mut! Man muss sich was trauen und darf sich nicht einschüchtern lassen. Wenn man glaubt, dass man gerne Physik studieren möchte, dann soll man das tun, völlig egal was irgendein anderer dazu sagt. Als ich mit 14 Jahren meinen Wunsch geäußert habe, Architektin zu werden, habe ich auch zuerst gehört, dass das eher für Männer sei.

Vor allem in der heutigen Zeit, in der alle immer auf ,,Sicherheit" plädieren, sollte man sich trauen, das zu studieren oder zu lernen, was einen selbst wirklich interessiert. Ich denke die größte Sicherheit ist es, später einmal das tun zu können, an dem man Gefallen hat und wofür man talentiert ist. Meine Empfehlung ist es sich zu den Herausforderungen zu stellen und sich nicht irritieren zu lassen. 

Ansonsten denke ich, ist es wichtig - vor allem für Frauen - sich zu vernetzen und sich zusammenzuschließen. Mit Hilfe von Netzwerken kann man wesentlich mehr erreichen und sich gegenseitig unterstützen. Gerade Netzwerke wie Femtech oder FForte Frauencoaching können etwas bewirken und die Stellung der Frauen stärken. In Amerika, beispielsweise, sind Netzwerke viel präsenter und stärker vertreten, und es gibt auch wesentlich mehr.

Zum Thema ,,Work Life Balance" - inwieweit lässt Ihr Beruf ein Privatleben zu?

Ich bin grundsätzlich sehr zufrieden mit meiner Situation und mein Privatleben kommt neben der Arbeit nicht zu kurz. Ich finde auch den Begriff ,,Work Life Balance" unglücklich, das klingt so als wäre Arbeit kein Leben und man würde Arbeit nur als Pflicht ansehen, die man erledigen muss. Klar gibt es Phasen, in denen man mehr arbeitet und genauso gibt es Phasen, in denen man gerne in die Arbeit geht oder auch eben nicht. Das ist ganz normal und darüber hinaus, denke ich, dass man mit der Zeit lernt, genug Platz für Freizeit zu lassen und sich aktiv Zeit für andere Dinge zu nehmen.

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Haben Sie einen Lieblingsplaneten und würden Sie ihn gerne ,,besuchen"?

Ich hab keinen richtigen Lieblingsplaneten, aber die Vorstellung, dass ich am Mars stehen könnte und vielleicht sogar mit einem dieser riesigen Segelflugzeuge über die Landschaft gleiten könnte, finde ich sehr spannend. Dabei faszinieren mich am meisten die Maßstabsverhältnisse am Mars im Vergleich zur Erde. Die Topografie dieses Planeten ist einzigartig: es gibt kilometertiefe und kilometerlange Canyons und der höchste Berg der Olympus Mons ist 22 Kilometer hoch. Die Vorstellung das zu sehen, zu bereisen und aus der Nähe zu betrachten, ist wunderschön.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Sabine Schellander (ÖGUT).