Expertin des Monats
Dez. 2020
Dr.in. Amra Avdic Causevic

Meine Mutter, mein Vorbild, ist selbst Technikerin und in meiner Umgebung war das Ausbildungsgebiet nie eine Frage des Geschlechtes, sondern eine Frage der Vorlieben und Interessen. In meinen Studienzeiten habe ich vor allem Schülerinnen Mathematik- und Physik-Nachhilfe gegeben. Ich beobachtete, dass es sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern die generelle Einstellung gibt, dass die technische Ausbildung nicht unbedingt für eine Frau richtig sei. Die Hintergründe dafür sind: „Die technischen Berufe/Studien sind aufwendig: Man muss viel investieren; Frauen verdienen dann trotzdem weniger; spätestens wenn eine Frau ein Kind bekommt, wird sie in Teilzeit arbeiten. Für viele Frauen zahlt es sich dann nicht aus, soviel in eine technische Ausbildung zu investieren und um dann eventuell nicht ernst genommen zu werden...“ Ein weiterer Faktor ist: „die Frau ist eine schlechte Mutter, wenn sie das 1-jährige Kind im Kindergarten lässt und Vollzeit arbeitet, also wenn sie Karriere machen will…“

Zu dieser tiefliegenden Problematik würden mir noch viele Beispiele einfallen, nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass in erster Linie diese einseitige Sichtweise beseitigt werden muss -sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern, beginnend schon im Schulalter. Die jungen Frauen müssen durch positive Beispiele ermutigt werden und es muss gezeigt werden, dass es auch anders geht und dass eine Frau alles machen kann, wenn sie das will. Es gibt bereits viele Angebote für Studentinnen, in der Berufswelt und im Rahmen von staatlichen Strategien (Karenzmodellen für Frauen und Männer, Kindergartenunterstützung…). Der noch existierende Mangel an Frauen in technischen Berufen liegt aber an der geringen Zahl der Kandidatinnen. Dieses Problem muss daher schon im Schulalter angegangen werden, um das Interesse an der Technik und Naturwissenschaften zu erwecken.

Interview

INTERVIEW MIT AMRA AVDIC CAUSEVIC

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Dr. Amra Avdic Causevic
Project Manager
Magna Powertrain

Was macht Magna Powertrain genau?
Magna Powertrain arbeitet weltweit an Weltklasse-Antriebssystemen für die Mobilität von morgen. Dabei konzentriert man sich auf Elektrifizierungslösungen – von integrierten Hybrid-Konzepten für das Hauptgetriebe bis hin zu rein elektrischen Antrieben. Diese Antriebssysteme von Magna geben Antworten auf vielfältige Herausforderungen wie gesetzliche CO2-Reduktion und hohen Kostendruck und bieten maßgeschneiderte Lösungen für zukünftige grüne Mobilität.

Sie sind Projektleiterin. Was machen Sie da genau?
Ich bin verantwortlich für die Entwicklung des Wechselrichters (Inverters), der für die Versorgung und Steuerung vom e-Motor zuständig ist. Meine Tätigkeiten umfassen die Konzeption und Kontrolle des Projektzeitplans und -budgets sowie die Projektsteuerung hinsichtlich Technik, Qualität und Wirtschaftlichkeit. Die Kommunikation mit internen StakeholderInnen sowie externen PartnerInnen bzw. KundInnen liegt ebenfalls in meiner Verantwortung.

Was fasziniert Sie an Ihrem Arbeitsbereich?
Ich bin ein Teil des Magna Powertrain Teams, das innovative elektrische Antriebsysteme für die globale Automobilindustrie entwickelt und produziert. Somit bin ich in der einzigartigen Lage, an dem Entstehen eines Elektro-Fahrzeugs teilzuhaben. Ich bin schon einige Jahre in der Automobilbranche und es macht mir immer Freude, wenn ich ein Auto auf der Straße sehe und weiß, dass ich Teil von dessen Entwicklung sein durfte. Autos sind für mich nicht lediglich ein Transportmittel, sondern eine Sammlung unglaublicher technologischer Fortschritte auf vier Rädern, die die Freude am Fahren und die Sicherheit steigern. Die Rolle der Projektleiterin ermöglicht mir einen Überblick über das gesamte Produkt zu haben, auch über jene Bereiche, die nicht direkt in meiner Verantwortung liegen

Was unternimmt Magna [Powertrain] zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Magnas einzigartige Fair-Enterprise-Kultur basiert auf Fairness und Rücksichtnahme auf Menschen und erkennt an, dass ihr Einsatz und Engagement grundlegend für den Unternehmenserfolg sind.

Die Magna MitarbeiterInnen-Charta, die Grundsätze unserer Betriebstätigkeit und unser Verhaltens- und Ethikkodex sind die Elemente für eine Arbeitsumgebung, die Innovation, Engagement und Teamwork fördert. Wir alle arbeiten im Unternehmen als Team zusammen, um eine Fertigung auf Weltklasse-Niveau sicherzustellen und unseren KundInnen Produkte von höchster Qualität sowie neueste Innovationen zu liefern.

Die „Women of Magna“ Community ist nur eine der Initiativen des Magna Global Diversity & Inclusion Councils, das sich zum Ziel gesetzt hat, Diversität und Inklusion in unsere Unternehmenskultur, die wichtigsten Talent-Entwicklungsmaßnahmen und in unsere Geschäftsstrategie einzubetten.

Sie haben Elektrotechnik an der Technischen Universität Wien studiert. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Elektrotechnik war nicht immer auf meinem Radar, da ich eher aus einer BauingenieurInnenwesen-Familie komme. Mich hat Physik von klein auf immer fasziniert und ich wusste immer, dass meine Zukunft damit etwas zu tun haben wird. Im Zuge des Elektrotechnik – Telekommunikation Studiums, das ich in Sarajevo begonnen habe, kam ich auch mit dem Fach Halbleiter Elektronik in Berührung und das hat mich mehr fasziniert als alles was ich bis dato auf der Uni gelernt hatte. Da es in Sarajevo keine Möglichkeit gab mich in dieser Richtung zur spezialisieren, habe ich mich entschieden nach Wien zu kommen. Meine Entscheidung fiel auf Wien, weil das Mikroelektronik Studium ganz neu war und sich auf dem neuesten Stand der Technik befand. Hinzu kam, dass ich hier schon einige Bekannte hatte und schon immer Deutsch lernen wollte. 

Sie sind Mitglied des Entwicklungsteams bei der Fachhochschule Burgenland Pinkafeld, wo ein Bachelorstudiengang für Angewandte Elektronik und Photonik entwickelt wird. Im Zuge dessen wird auch eine Strategie zur Erhöhung des Frauenanteils erstellt. Was beinhaltet diese?
Zur Erhöhung des Frauenanteils im gesamten Studienzyklus werden Ergebnisse wissenschaftlicher Studien herangezogen, umgesetzt und die Umsetzung wissenschaftlich begleitet. Dies umfasst sowohl die Umsetzung von vorgeschlagenen Maßnahmen im Bereich Flexibilisierung - Vernetzung - Individualisierung (sowohl real als auch digital) oder die besondere Förderung von Quereinsteigerinnen als auch Schwerpunkte im Bereich Lehrpersonal (z.B. Role models, Ausgewogenheit der Zusammensetzung des Lehrkörpers, Gender und Diversity geschult) oder Didaktik - Curriculumsgestaltung (offene Kultur, Neutralität, digitale Formate). Entsprechende Expertise wird bereits in die Entwicklung des Studiengangs einbezogen.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Meine Mutter, mein Vorbild, ist selbst Technikerin und in meiner Umgebung war das Ausbildungsgebiet nie eine Frage des Geschlechtes, sondern eine Frage der Vorlieben und Interessen.

In meinen Studienzeiten habe ich vor allem Schülerinnen Mathematik- und Physik-Nachhilfe gegeben. Die waren tatsächlich überzeugt, dass Mathe und Physik eher was für Buben wäre. Ich beobachtete, dass es sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern die generelle Einstellung gibt, dass die technische Ausbildung nicht unbedingt für eine Frau richtig sei. Die Hintergründe dafür sind: „Die technischen Berufe/Studien sind aufwendig: Man muss viel investieren; Frauen verdienen dann trotzdem weniger; spätestens, wenn eine Frau ein Kind bekommt, wird sie in Teilzeit arbeiten. Für viele Frauen zahlt es sich dann nicht aus, soviel in eine technische Ausbildung zu investieren und um dann eventuell nicht ernst genommen zu werden...“ Ein weiterer Faktor ist: „die Frau ist eine schlechte Mutter, wenn sie das 1-jährige Kind im Kindergarten lässt und Vollzeit arbeitet, also wenn sie Karriere machen will…“

Zu dieser tiefliegenden Problematik würden mir noch viele Beispiele einfallen, nichts desto trotz bin ich der Meinung, dass in erster Linie diese einseitige Sichtweise beseitigt werden muss, sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern (Mädchen und Buben), beginnend schon im Schulalter. Die jungen Frauen müssen durch positive Beispiele ermutigt werden und es muss gezeigt werden, dass es auch anders geht und dass eine Frau alles machen kann, wenn sie das will. Es gibt bereits viele Angebote für Studentinnen, in der Berufswelt und im Rahmen von staatlichen Strategien (Karenzmodelle für Frauen und Männer, Kindergartenunterstützung…). Der noch existierende Mangel an Frauen in technischen Berufen liegt aber an der geringen Zahl der Kandidatinnen. Dieses Problem muss daher schon im Schulalter angegangen werden, um das Interesse an der Technik und Naturwissenschaften zu erwecken.


WORDRAP MIT AMRA AVDIC CAUSEVIC

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Hütten bauen im Wald

Meine FreundInnen und ich haben sehr viel Zeit draußen verbracht. „Hütten“ zu bauen hat uns viel Spaß gemacht, da wir gemeinsam etwas gestaltet haben und wir uns dabei kreativ austoben konnten.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Ich würde genau dasselbe machen.

Mein Vorbild ist:
Meine Mama.

Sie lässt sich nie sagen, dass etwas nicht geht. Sie kommt aus einer BäuerInnenfamilie und einem kleinen Ort. Trotz aller Hindernisse im Leben, die sie auf die Probe gestellt haben, hat sie sowohl in der Berufswelt als Bauwesentechnikerin, als auch als Mensch und zweifache Mutter ihre Spuren auf dieser Welt hinterlassen.

Was ich gerne erfinden würde:
Ein Gerät, das Worte zurücknehmen kann.

Hätte man die Möglichkeit Worte zurücknehmen zu können, mit denen man sein Gegenüber unabsichtlich oder achtlos verletzt hat, dann könnten viele Missverständnisse, Enttäuschungen und Bitterkeit verhindert werden.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
…dann muss ich keine Angst mehr um unseren Nachwuchs haben. Das folgende Zitat gefällt mir in diesem Zusammenhang sehr gut.

If robots are going to run the world, or at the very least play a hugely critical role in our future, men shouldn’t be programming them alone. The scarcity of women in an industry that is so forcefully reshaping our culture simply cannot be allowed to stand.” – Emily Chang

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
Hat‘s die Welt endlich kapiert!

 …dass die Frauen durch ihre Fähigkeiten und ihre spezifische Sichtweise die Arbeitskultur und Arbeitsdynamik verändern können. Die MitarbeiterInnen werden besser verstanden und motiviert. Die Firmen, die den Weg gewagt haben, werden wirtschaftlich erfolgreicher und als Arbeitgebende attraktiver sein.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Kreativität und Neugier

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Es ist für jedes Land wichtig die Forschung zu fördern. Durch die Forschungsförderung kann das Land konkurrenzfähig bleiben und das wirtschaftliche Wachstum aufrecht halten. Die Forschung macht das Land bereit für die neuen Technologien und Trends und somit können neue Arbeitsplätze in den neuen Branchen problemlos kreiert werden.

Meine Leseempfehlung lautet:
Brotopia. Breaking Up the Boys‘ Club of Silicon Valley - Emily Chang